Sitzung des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments

Brisante Herbstsitzung des Apothekerparlaments

(Münster, 22. November 2006) Ganz im Zeichen der umstrittenen Gesundheitsreform steht die heutige Sitzung des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments. "Es gibt viele gute Gründe gegen diese schlechte Reform", so Kammerpräsident Hans-Günter Friese. Zugleich hofft er darauf, dass es im Gesetzgebungsverfahren noch zu Veränderungen kommt: "Die bisher vorgesehenen Maßnahmen würden einen für Apotheker ruinösen Wettbewerb auslösen, unter dessen Folgen auch die Patienten leiden", betonte Friese in seinem Präsidentenbericht.

Die Apothekerinnen und Apotheker forcieren daher ihren öffentlichen Protest gegen das Reformgesetz. "Am vergangenen Mittwoch sind in Düsseldorf über 10.000 Apothekenmitarbeiter auf die Straße gegangen, darunter allein 4.000 Angestellte aus Westfalen-Lippe", berichtet der Kammerpräsident. Und am Montag, 4. Dezember stehe bereits der nächste Aktionstag an: "Dann werden wir gemeinsam mit der Ärzteschaft und weiteren Gesundheitsberufen die Patienten bundesweit über die Folgen dieser verkorksten Reform aufklären." In vielen westfälisch-lippischen Apotheken wird es wie im gesamten Bundesgebiet nur eine Notversorgung geben - sei es durch die Notdienstklappe oder an einigen, wenigen Beratungsplätzen.

Die Apotheker bemängeln vor allem zwei Passagen am bisherigen Geset-zesentwurf, erläutert Vizepräsidentin Gabriele Regina Overwiening: "Die Große Koalition will nicht nur die Herstellerabgabepreise dem Wettbewerb freigeben, sondern sie stellt auch die Apothekervergütung zur Disposition." Derzeit haben verschreibungspflichtige Arzneimittel überall den gleichen Preis. Ganz gleich, ob in Münster, auf Sylt oder in Garmisch-Partenkirchen: Jeder Apotheker erhält von den Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) für die Beratung der Kunden und den Unterhalt der Apotheke einen Einheitsbetrag von 6,10 Euro je Arzneimittelpackung. Das Reformgesetz sieht vor, dass Apotheker auf einen Teil dieser Vergütung verzichten sollen. Außerdem sollen sie allein für Herstellerrabatte haften: Vereinbaren Krankenkassen und Hersteller künftig keine Rabatte miteinander, will die Regierung ersatzweise eine halbe Milliarde Euro von den Apothekern einfordern.

"Summa summarum werden so die Erträge jeder Apotheke um bis zu 40 Prozent reduziert. Aus einem sogenannten Wettbewerbsstärkungsgesetz wird ein Apothekenschließungsgesetz", kritisiert Overwiening. Die Vizepräsidentin der Apothekerkammer stellt zugleich klar, dass die Apotheken nur zu einem verschwindend geringen Teil an den Gesundheits- und Arzneimittelkosten beteiligt sind: "Wir sind keine Kostentreiber: Gerade einmal 2,7 Prozent der GKV-Ausgaben entfallen auf die Apotheken. Und von jedem Euro, der für Arzneimittel ausgegeben wird, bleiben gerade einmal 16 Cent in der Apotheke. Dafür stellen wir eine fachlich kompetente, flächendeckende und wohnortnahe Versorgung, einschließlich der Nacht- und Wochenendbereitschaft, sicher."

Gabriele Regina Overwiening moniert, dass künftig die pharmazeutische Betreuung kranker Menschen nicht mehr zentrale Aufgabe von Apothekern sein soll. "Wer in erster Linie um Rabatte und Preise feilschen muss, hat kaum noch Zeit für eine unabhängige Beratung. Eine solche Systemumstellung wäre das Gegenteil einer effizienten, am Schutz der Patienten orientierten Versorgung." Die Zahl der Apotheken in Westfalen-Lippe ist im bisherigen Jahresverlauf leicht gesunken - auf nunmehr 2.243. "Es gab nur drei reine Neugründungen und 19 Filialeröffnungen bei 25 Schließungen", berichtet Geschäftsführer Jochen Stahl. Mittlerweile wird mehr als jede zwölfte Apotheke (exakt 189 Betriebe) als Filiale geführt. "Ein Indiz für das schwierige wirtschaftliche Umfeld", sagt Stahl, der daher auch bei der Aufstellung des Kammerhaushaltes von weiteren Schließungen und Umsatzrückgängen ausgegangen ist. Der vom Apothekerparlament verabschiedete Haushalt für 2007 hat ein Volumen von 4,48 Millionen Euro. Die geplanten Einnahmen und Ausgaben liegen damit um 1,3 Prozent unter den Werten für das Jahr 2006. Bis in den frühen Abend befassen sich die 121 Delegierten der Kammerversammlung noch mit zahlreichen weiteren Themen. So steht u. a. die Wahl der Kuratoriumsmitglieder für die Apothekerstiftung Westfalen-Lippe auf dem Programm. Ab 15:00 Uhr spricht Gastreferent Lutz Tisch, Geschäftsführer für Apotheken, Arzneimittel- und Berufsrecht des Dachverbandes ABDA (Berlin) zur "Weiterentwicklung der Arzneimittel- und Apothekengesetzgebung.

Stichwort "Kammerversammlung"

Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Standesvertretung der 6.800 Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe. Das Apothekerparlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt (die letzten Wahlen fanden im Juni 2005 statt) und tritt zweimal jährlich zusammen. Auf der Tagesordnung einer jeden Herbstsitzung stehen u. a. die Beratung und Beschlussfassung des Haushaltsplans für das kommende Jahr sowie Regularien wie z. B. Satzungsänderungen.