Apothekerparlament kritisiert Auswüchse des Versandhandels

Rezepte gehören in die Apotheke - nicht an den Kiosk oder die Pommesbude

(Münster, 21. November 2007) Die 121 Delegierten des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments kritisieren die jüngsten Auswüchse des Arzneimittel-Versandhandels. In einer Resolution (siehe Download unten), die sie heute auf ihrer Herbstsitzung verabschiedeten, fordern die Pharmazeuten die Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtages auf, den Weg für die Versandhandelsinitiative von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann freizumachen.

Laumann beabsichtigt, den im Jahr 2004 sowohl für freiverkäufliche als auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel zugelassenen Arzneimittelversandhandel zukünftig auf das freiverkäufliche Sortiment zu beschränken. „Wir müssen leider feststellen, dass im Windschatten der Zulassung von Versandapotheken sämtliche Regeln des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes mit Füßen getreten werden", so Kammerpräsident Hans-Günter Friese.

„Die Arzneimittelversorgung über die deutschen Apotheken gilt als weltweit sicherste Versorgungsform", erläutert Friese. „Dafür hat man uns in der Apothekenbetriebsordnung eine Vielzahl von Regeln und Bestimmungen auferlegt." Damit fungiere die sehr komplexe Apothekenbetriebsordnung als Verbraucherschutzgesetz. „Mit der Einführung des Versandhandels wird es jetzt aber interessierten Kreisen ermöglicht, auch bei der Versorgung vor Ort die Apothekenbetriebsordnung zu umgehen", zeigt Friese auf. Derzeit werden bereits Rezepte in Drogeriemärkten eingesammelt und sollen zukünftig auch an sogenannten E-Kiosken an Bahnhöfen eingescannt und per Paket-Dienst beliefert werden.

„Wir warten nur noch darauf, dass die ersten Pommes- und Dönerbuden Rezepte einwerben", so der Kammerpräsident weiter. Die Forderung der Apotheker ist daher unmissverständlich: „Diese Gesetzeslücke muss im Sinne der Gesundheit aller Verbraucher schnellstmöglich geschlossen werden. Rezepte gehören einzig und allein in die Hand des Apothekers."

Arzneimittelfälschungen: Gefahren aus dem Internet

„Arzneimittel in der legalen deutschen Verteilerkette - vom Hersteller über den pharmazeutischen Großhandel in die Apotheke - sind hochwertig und absolut sicher", stellt Dr. Mona Tawab klar. Die Expertin des Zentrallaboratoriums der Deutschen Apotheker (ZL) mit Sitz in Eschborn, die am Nachmittag als Gastreferentin zu den Delegierten spricht, kann eindrucksvolle Zahlen präsentieren: „In den deutschen Apotheken werden jährlich sage und schreibe 6,7 Millionen Fertigarzneimittel auf ihre Qualität hin überprüft." Diese Prüfungen führen zu 6.000 bis 7.000 Beanstandungen im Sinne der Verbraucher.

Ganz ohne Netz und doppelten Boden müssen Kunden dagegen bei Bestellungen über das Internet auskommen: Ein Testkauf des ZL führte zu haarsträubenden Ergebnissen: Bei 19 verschiedenen Anbietern wurde ein bestimmtes Haarwuchsmittel bestellt. In 14 Fällen wurde das Arzneimittel tatsächlich ausgeliefert. Darunter waren sechs Fälschungen - vier Präparate ohne jeglichen Wirkstoff und zwei Arzneimittel mit Unterdosierung. Auch beim Preis hatten die Verbraucher das Nachsehen. „Während die öffentliche Apotheke dieses Arzneimittel für 60 Euro abgibt, verlangten die Internethändler zwischen 60 und 110 Euro sowie zusätzlich sieben bis 15 Euro Versandkosten", so Dr. Mona Tawab. Besonders kritisch: Die Fälschungen waren optisch kaum vom Original-Arzneimittel zu unterscheiden.

Westfalen-Lippe: Jede neunte Apotheke bereits als Filiale geführt

Die Zahl der Apotheken in Westfalen-Lippe blieb im bisherigen Jahresverlauf nahezu unverändert bei 2.244, berichtet Kammergeschäftsführer Dr. Andreas Walter. 37 Neueröffnungen standen 36 Apothekenschließungen gegenüber. „Ein Rückgang der Apothekenzahl konnte durch eine verstärkte Filialisierung gestoppt werden", verdeutlicht Dr. Walter. Denn hinter zwei von drei neuen Apotheken (24) verbergen sich Filialen. Zudem wurden 44 bestehende Apotheken in Filialen umgewandelt.

All dies ist seit der Gesundheitsreform 2004 möglich: „Seitdem kann jeder Apotheker neben der Hauptapotheke bis zu drei weitere Filialapotheken im gleichen oder im benachbarten Kreis betreiben", erläutert Dr. Andreas Walter. In Westfalen-Lippe gibt es derzeit bereits 258 Filialen - mehr als jede neunte Apotheke. Die Zahl der Hauptapotheken ist damit erstmals unter die magische Grenze von 2.000 gesunken - auf exakt 1.988.

Apothekerparlament verabschiedet Haushalt 2008

In seiner Herbstsitzung verabschiedet das Apothekerparlament auch den Haushalt für das Jahr 2008. Er hat ein Volumen von 4,6 Millionen Euro. Die geplanten Einnahmen und Ausgaben liegen damit um 2,5 Prozent über den Zahlen für das Jahr 2007 - bei unveränderten Beitragssätzen für die Apotheker. „Auch 2008 werden wir unsere pharmazeutische Offensive fortsetzen. Wir investieren weiterhin in die Aus-, Fort- und Weiterbildung, in die Optimierung der apothekerlichen Beratung und in Qualitätsmanagementsysteme für die Apotheken", so Dr. Walter.

Bis in den frühen Abend befassen sich die 121 Delegierten der Kammerversammlung noch mit zahlreichen weiteren Themen. So diskutieren die Apotheker über eine Neufassung ihrer Geschäftsordnung und beraten eine Reihe von Anträgen zu gesundheitspolitischen, pharmazeutischen und berufsrechtlichen Fragestellungen.

STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG

Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Standesvertretung der 7.000 Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe. Das Apothekerparlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt (die letzten Wahlen fanden im Juni 2005 statt) und tritt zweimal jährlich zusammen. Auf der Tagesordnung einer jeden Herbstsitzung stehen u. a. die Beratung und Beschlussfassung des Haushaltsplans für das kommende Jahr sowie Regularien wie z. B. Satzungsänderungen.