Arzneimittelversorgung vor Ort im Krisenmodus

Overwiening: „Lauterbachs Sparpolitik wirkt als Brandbeschleuniger“

(Münster, 29. November 2023) Vor nie dagewesenen Herausforderungen steht die Arzneimittelversorgung durch die Apotheke vor Ort: „Auf der einen Seite belasten uns hohe Inflation, steigende Energiekosten und Personalausgaben, auf der anderen Seite fordern uns Lieferengpässe und eine überbordende Bürokratie bis aufs Äußerste“, konstatiert die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening im Rahmen der Herbstsitzung des westfälisch-lippischen Apothekerparlaments in der Stadthalle Münster-Hiltrup. Gleichsam als zusätzlicher Brandbeschleuniger wirke da die Sparpolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Wer in einem solchen toxischen Umfeld auch noch – wie mit Wirkung zum Februar dieses Jahres geschehen – die Vergütung der Apotheken um 28 Cent je Packung kürzt, trägt die politische Verantwortung für die zunehmende Zahl an Apothekenschließungen.“

Dass im Jahr 2023 zum 19. Mal in Folge die Zahl der Apotheken zurückgeht, war bereits vor Monaten erwartet worden. Die Spargesetze der Ampel-Koalition hätten jedoch ein regelrechtes Apothekensterben induziert: „Jede Woche erreichen uns derzeit weitere Hiobsbotschaften. Wenn über viele Jahrzehnte stabile und für die Versorgung im Quartier wichtige Apotheken aufgeben müssen, dann stimmen die Rahmenbedingungen nicht mehr“, kritisiert Kammerpräsidentin Overwiening. Die Apothekenzahl in Westfalen-Lippe ist von 1.760 zum Jahresbeginn bereits auf 1.727 (-33) geschrumpft. Mindestens 13 weitere Betriebe werden bis zum Ende Dezember für immer ihre Pforten schließen.

„Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition war eine Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversicherung festgeschrieben. Stattdessen irrlichtert der Gesundheitsminister zwischen unsinnigen Projekten wie der Einführung teurer Gesundheitskioske und der Cannabis-Freigabe herum. Vieles an den Ideen wird in den Raum geworfen, manches angefangen, aber nichts zu Ende gedacht und im Sinne einer guten Versorgung umgesetzt. Da ist es nicht verwunderlich, dass zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht nur Ärzte und Apotheken-Teams protestieren, sondern inzwischen auch zusammen auf die Straße gehen.“

Haushaltsplan 2023 trägt schwierigen Rahmenbedingungen Rechnung

Die Delegierten der Kammerversammlung befassten sich in ihrer ganztägigen Sitzung auch mit dem Haushaltsplan für das Jahr 2024. Der Kammerhaushalt sieht einen Rückgang der Einnahmen um 0,11 Prozent und einen Anstieg der Ausgaben um 5,53 Prozent vor. Drei Sondereffekte erklären den Ausgabenzuwachs um in Summe 445.500 Euro: die Kammerwahlen 2024 (mit geplanten Kosten in Höhe von 89.000 Euro), die Kosten für eine Stiftungsprofessur an der Universität Münster (310.000 Euro) und die um 17 Prozent (193.500 Euro) gestiegenen Mitgliedsbeiträge für den Bundesverband ABDA. „Ohne diese drei Sondereffekte lägen unsere Ausgaben sogar um 1,7 Prozent unter dem Vorjahr“, erläutert Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter. Mit großer Mehrheit stimmten die Delegierten dem Haushalt zu.

Digitalisierung nimmt Fahrt auf

Langsam, aber allmählich, nimmt auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens Fahrt auf. Die von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt schon 2005 versprochene Einführung des E-Rezeptes geht im Landesteil Westfalen-Lippe inzwischen besonders schnell voran. Bereits jetzt werden über sechs Prozent der ärztlichen Verordnungen digital ausgestellt, Tendenz stark steigend. Die Apotheken können dem gelassen entgegensehen: „100 Prozent unserer Apotheken sind startklar für das E-Rezept“, freut sich Overwiening. Hier zeige sich einmal mehr, dass die Apotheken nach wie vor zu den Vorreitern der Digitalisierung im Gesundheitswesen zählen.

STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER
Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 8.163 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil, davon stehen 5.647 aktiv im Berufsleben (zu etwa 85 Prozent in der öffentlichen Apotheke, aber auch in Krankenhausapotheken, Wirtschaft und Verwaltung). In Westfalen-Lippe gibt es aktuell 1.768 Apotheken, so wenige wie seit 55 Jahren nicht mehr. Die westfälisch-lippischen Apotheken bieten derzeit knapp 16.800 Arbeitsplätze.

STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG
Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das 97-köpfige Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt, das nächste Mal bereits im Juni 2024.


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Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening

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Mit großer Mehrheit stimmten die Delegierten dem Haushalt zu.

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