Expertenrunde beantwortet Patientenfragen rund um Antibiotika

Gemeinsam gegen Resistenzen

(Münster, 13. Februar 2020) Keime, die nicht an der Krankenhauspforte halt machen, der Umgang mit Patienten, die kurz vorm Urlaub ihr Halskratzen mit Antibiotika-Unterstützung loswerden wollen, und Viren, die auf Bakterienjagd gehen: Es war eine spannende und fundierte Diskussion, zu der die Apothekerkammer Westfalen-Lippe unter der Überschrift „Antibiotika: Wann helfen sie, wann nicht?“ nach Münster eingeladen hatte. Apotheker und Ärzte aus dem Universitätsklinikum Münster, der niedergelassenen Ärzteschaft und der Apotheke vor Ort beantworteten die Fragen von Patienten – und sahen sich gemeinsam in der Verantwortung, Antibiotika- Resistenzen einzudämmen.

Dr. Christian Lanckohr, Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Münster (UKM), betonte, dass das Problem sowohl den stationären als auch den ambulanten Sektor angehe: „Die mikrobiologische Flora kennt keine Krankenhauswand“, sagte er. Lanckohr ist Mitglied des Antibiotic-Stewardship-Teams des UKM, das sich um einen rationalen Einsatz von Antibiotika im Krankenhaus bemüht.

Antibiotika nur bei bakteriellen Infektionen

Dr. Johannes Hartmann, Facharzt für Innere Medizin, legt als niedergelassener Arzt in Bielefeld zudem großen Wert auf den Brückenschlag zwischen Ärzten und Apothekern: Es sei wichtig, dass nicht jeder nur in seiner „Blase“ agiere. Hartmann engagiert sich in dem Projekt „Antibiotische Therapie in Bielefeld“ (AnTiB), in dem sich Ärzte über die Verordnung von Antibiotika austauschen und gemeinsam Praxis-Empfehlungen entwickeln. Er weiß, dass viele Patienten, die zum Beispiel bei Erkältungssymptomen schnell wieder fit werden wollen, beim Arzt ein Antibiotikum verlangen – oft weil ihnen nicht klar ist, dass es bei einer von Viren ausgelösten Erkältung gar nicht helfen kann. „Dann ist es ganz wichtig, den Patienten bei der Entscheidung mitzunehmen, zu erklären“, so Hartmann.

Apotheke mit Lotsenfunktion

Die wichtige Rolle der Apotheken unterstrich Frank Dieckerhoff, Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Apotheken seien niederschwellige Eintrittspforten in das Gesundheitssystem. Viele Patienten gingen zunächst dorthin, bevor sie einen Arzt aufsuchten – und die Apotheke könne den Patienten eine Einschätzung geben, ob sie ihre Symptome mit freiverkäuflichen Medikamenten selbst behandeln können oder ob ein Arztbesuch sinnvoll ist. Und wenn ein Rezept für ein Antibiotikum in der Apotheke eingelöst werde, sei es die Aufgabe des pharmazeutischen Personals, die Therapie bestmöglich zu unterstützen: zu beraten, wie das Antibiotikum eingenommen wird, und erklärungsbedürftige Darreichungsformen verständlich zu machen. „Einen antibiotikahaltigen Trockensaft zuhause anzurühren ist nicht trivial. Sofern er zur sofortigen Einnahme verordnet ist, übernehmen wir in der Apotheke gerne die Zubereitung für den Patienten.“ Die Stammapotheke sei darüber hinaus oft die einzige Stelle, die einen kompletten Überblick über die Medikamente eines Patienten habe – sowohl die von verschiedenen Ärzten verordneten Arzneimittel als auch die Selbstmedikation.

Immer häufiger versagen Antibiotika im Kampf gegen multiresistente Bakterien. Alternativen sind jedoch schwer zu finden. Helfen könnten so genannte Phagen – Viren, die Bakterien angreifen. „Aber es ist erstens schwierig, diese in Arzneimittelqualität zu produzieren. Zweitens sind diese Viren wie ein Schlüssel, der nur in ein ganz bestimmtes Schloss – das Bakterium – passt. Man muss also den passenden Schlüssel zum Schloss finden, und das Schloss kann sich wiederum verändern. Bakterien sind sehr anpassungsfähig“, so Prof. Dr. Alexander Mellmann, Direktor des Instituts für Hygiene am Universitätsklinikum Münster. Es werden zu wenige neue Antibiotika entwickelt, sagte Apothekerin Dr. Dagmar Horn, die wie Lanckohr Mitglied des Antibiotic-Stewardship-Teams des UKM ist. „Wir werden angesichts der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen in Zukunft Patienten haben, denen wir mit Antibiotika nicht mehr helfen können.“

Wichtig: Häufiges Händewaschen

Zuhause könne man sich vor Keimen am besten durch eine vernünftige Hygiene – sprich: Händewaschen – schützen, informierte Mellmann. „Desinfektionsmittel sind da nicht erforderlich.“ Anders im Krankenhaus, wo das Desinfizieren der Hände eine große Rolle spielt, um Keime nicht von einem Patienten zum anderen zu tragen: „Im Krankenhaus haben wir es mit ohnehin geschwächten, erkrankten Menschen zu tun, deren Immunsystem den Erregern oft wenig entgegenzusetzen hat.“ Aber keine Sorge: Es gehe nicht so weit, dass der aus dem Krankenhaus entlassene Großvater zuhause aus Angst vor Keimen nicht von den Enkelkindern umarmt werden dürfe, versichert Mellmann auf Nachfrage des Journalisten Stefan Werding, der die Runde moderierte.

Bürgermeisterin Karin Reismann hatte zuvor die Veranstaltung in der Rüstkammer des historischen Rathauses eröffnet und auf die Bedeutung des Themas hingewiesen. Wie NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zum Auftakt der landesweiten Kampagne für einen rationalen Antibiotikaeinsatz bereits betont habe, drohe „unser schärfstes Schwert gegen viele bakterielle Infektionen stumpf zu werden. Es muss alles dafür getan werden, dass Antibiotika wirksam bleiben.“


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Sensibilisierten für den rationalen Einsatz von Antibiotika (v.l.): Prof. Dr. Alexander Mellmann, Dr. Johannes Hartmann, Dr. Dagmar Horn, Frank Dieckerhoff, Bürgermeisterin Karin Reismann, Dr. Christian Lanckohr und Moderator Stefan Werding. Foto: AKWL/Sokolowski

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