Mit Beteiligung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe:

Interprofessionelles Antibiotic Stewardship-Netzwerk Westfalen-Lippe gegründet

(Münster, 19. November 2022) In vielen Bereichen der Medizin ist es essenziell, gut wirksame Antibiotika zur Verfügung zu haben. In zunehmender Weise schränken jedoch bakterielle Resistenzen deren Wirksamkeit ein. Da neue Antibiotika absehbar nicht in relevantem Ausmaß zur Verfügung stehen werden, ist der zielgerichtete Einsatz der vorhandenen Antibiotika dringend notwendig. In Nordrhein-Westfalen werden im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich häufig Antibiotika verordnet. Es besteht ein besonderer Bedarf an Maßnahmen – „Antibiotic Stewardship“ genannt –, um einen rationalen Antibiotika-Einsatz zu fördern und unnötige Verordnungen zu vermeiden. Solche Maßnahmen sind effektiver, wenn sie sich nicht nur auf Teilbereiche des Gesundheitswesens beschränken.

Auf Initiative der Ruhr-Universität Bochum, des St.-Vincenz-Krankenhauses Datteln, des Ärztenetzes Bielefeld, des Universitätsklinikums Münster und der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld wurde nun im Rahmen einer Veranstaltung an der Ruhr-Universität Bochum das „Antibiotic Stewardship-Netzwerk Westfalen-Lippe“ gegründet, um die Zusammenarbeit über Fach- und Sektorgrenzen hinweg zu verbessern. Beteiligt an dem Netzwerk sind ärztliche Berufsverbände, Praxen, Ärztenetze, Kliniken, Apotheken, Labore und die medizinische Verwaltung, um den Austausch zu verbessern und Maßnahmen zu koordinieren. Auch die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) ist Gründungsmitglied des Netzwerks. „Wir haben das Projekt von Anfang an unterstützt und durch unsere Fachabteilung in der Kammer begleitet“, erklärt AKWL-Vizepräsident Frank Dieckerhoff, der sich seit Jahren auch berufspolitisch für einen verantwortungsbewussten Einsatz von Antibiotika einsetzt und damit gegen Resistenzen kämpft. Für Dieckerhoff war eine Beteiligung der Kammer am neuen Netzwerk obligatorisch. „Wir müssen alles dafür tun, damit unser schärfstes Schwert gegen Infektionskrankheiten weiterhin scharf bleibt.“

Da Antibiotika von den Verordnern in sehr unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt werden, wird u. a. angestrebt, einheitliche und aktualisierte Empfehlungen zur antibiotischen Therapie zu erstellen und die praxisgerechte Umsetzung zu fördern. Dies steigert die Verordnungssicherheit und verbessert die Kommunikation mit Patient*innen insbesondere an den Schnittstellen der Versorgung.

Das Thema der rationalen Antibiotika-Therapie beschäftigt die AKWL schon seit vielen Jahren – jeweils in unterschiedlichen Projekten und Kommunikationsformen: von der direkten Ansprache von Bürger*innen auf Münsters Prinzipalmarkt im Rahmen einer Aktionswoche über die Versorgung aller Apotheken im Kammergebiet mit sog. „Antibiotika-Pässen“ zur Abgabe an die Patient*innen bis hin zu gemeinsamen Projekten mit dem Landesgesundheitsministerium NRW, bei denen indikationsbezogen Aufklärungsarbeit geleistet wurde und wird.

Die wichtige Rolle der Vor-Ort-Apotheken beschreibt Frank Dieckerhoff: Apotheken seien niederschwellige Eintrittspforten in das Gesundheitssystem. Viele Patienten gingen zunächst dorthin, bevor sie einen Arzt aufsuchten – und die Apotheke könne den Patienten eine Einschätzung geben, ob sie ihre Symptome mit freiverkäuflichen Medikamenten selbst behandeln können oder ob ein Arztbesuch sinnvoll ist. Und wenn ein Rezept für ein Antibiotikum in der Apotheke eingelöst werde, sei es die Aufgabe des pharmazeutischen Personals, die Therapie bestmöglich zu unterstützen: zu beraten, wie das Antibiotikum eingenommen wird, und erklärungsbedürftige Darreichungsformen verständlich zu machen. „Einen antibiotikahaltigen Trockensaft zuhause anzurühren ist nicht trivial. Sofern er zur sofortigen Einnahme verordnet ist, übernehmen wir in der Apotheke gerne die Zubereitung für den Patienten.“ Die Stammapotheke sei darüber hinaus oft die einzige Stelle, die einen kompletten Überblick über die Medikamente eines Patienten habe – sowohl die von verschiedenen Ärzten verordneten Arzneimittel als auch die Selbstmedikation.

Diese Form der Kooperation im Antibiotic Stewardship-Netzwerk Westfalen-Lippe ist bisher bundesweit einmalig und kann als Modell für andere Regionen dienen.