Herbstsitzung des Westfälisch-lippischen Apothekerparlaments

„Starker Koalitionsvortrag, schwache Eckpunkte, unsäglicher Referentenentwurf“

(Münster, 3. Dezember 2025) Selten war die Stimmung im Berufsstand so angespannt, selten die gemeinsame Einschätzung der Bundespolitik so klar: „Mit dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sind viele Erwartungen auf eine baldige Apothekenstärkung geweckt worden“, so Gabriele von Elsenau Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL). „Auf einen sehr guten Koalitionsvertrag folgte im September beim Deutschen Apothekertag die Ankündigung von sehr schwachen Eckpunkten einer Apothekenreform durch Gesundheitsministerin Warken. Und der sechs Wochen später folgende Referentenentwurf ist einfach nur unsäglich“, konstatierte die Kammerpräsidentin auf der Herbstsitzung der AKWL-Kammerversammlung.

In ihrem Bericht zerpflückte von Elsenau Overwiening die problematischsten Punkte des geplanten Reformgesetzes: „Wir akzeptieren nicht, dass CDU, CSU und SPD die Erhöhung des Apotheken-Honorars auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.“ Der Koalitionsvertrag habe eine Erhöhung auf 9,50 Euro pro Packung versprochen. Doch „das Versprechen ist gebrochen, und das werden wir nicht akzeptieren!“

Alle fünf Jahre verschwinden 200 Apotheken von der Bildfläche

Das Ergebnis ausgebliebener Dynamisierung des Honorars ist in der Entwicklung der Apothekenzahlen klar abzulesen: Sie ist und bleibt dramatisch, wie von Elsenau Overwiening in ihrem Lagebericht aufzeigte. Viele Jahre habe die Zahl der Apotheken im Landesteil konstant zwischen 2.250 und 2.260 gelegen. Nach dem Jahr 2005, in dem die letzte Honoraranpassung erfolgte, habe der Sinkflug eingesetzt. Allein in den Fünfjahreszeiträumen zwischen 2010 und 2015, von 2015 und 2020 sowie zwischen 2020 und 2025 seien jeweils 200 Apotheken von der Bildfläche verschwunden.

Aktuell gibt es nur noch 1.628 Betriebsstätten, von denen 441 als Filialen geführt werden – das sind so wenige Apotheken wie zuletzt in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. „Bis zum Jahresende werden mindestens 16 weitere Apotheken schließen. Weitere zwölf Schließungen sind bereits jetzt für das erste Quartal 2026 gemeldet“, sagte die Präsidentin. Damit sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Gesamtzahl der Apotheken in Westfalen-Lippe unter 1.600 absinkt. In Westfalen-Lippe versorgt eine Apotheke heute durchschnittlich 5.100 Patientinnen und Patienten. Vor 20 Jahren waren es noch knapp 3.500.

Keine Apotheke ohne Apotheker

Unmissverständlich positionierte sich von Elsenau Overwiening zu Vertretungsbefugnis von PTA in Apotheken: „Nur die ständige Anwesenheit eines Apothekers in einer Apotheke gewährleistet die ohne jede Ausnahme sichere Abgabe von Medikamenten, besonders bei komplexen Arzneimitteltherapien oder für vulnerable Gruppen. Das geplante Modell stellt das gesamte Berufsbild des Apothekers in der öffentlichen Apotheke infrage und entwertet dessen Rolle in der Arzneimittelversorgung.“ Das Berufsbild der PTA könne auf anderem Wege weiterentwickelt werden: „ohne Systembruch und ohne Systemzerstörung.“

Haushaltsplan 2026 verabschiedet

Einstimmig verabschiedeten die Delegierten den Haushaltsplan für das Jahr 2026. Er sieht ein um 4,55 Prozent (424.000 Euro) gegenüber dem Vorjahr gewachsenes Haushaltsvolumen von 9,742 Millionen Euro vor. „Rechnet man zwei Sonderprojekte heraus – unsere Beteiligung an der Sanierung des Zentrallaboratoriums in Eschborn in Höhe von 362.000 Euro und weitere 100.000 für das von der Bundesapothekerkammer umzusetzende OZG-Portal – wäre das Haushaltsvolumen im kommenden Jahr sogar leicht rückläufig“, stellt Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Walter heraus. Für die Apothekeninhaber*innen ergibt sich im kommenden Jahr eine Entlastung: Durch Inanspruchnahme der Rücklage zur Förderung der Ausbildung kann die AKWL 2026 auf Zusatzbeiträge für die PTA-Ausbildung verzichten – eine Entlastung der Apothekeninhaber*innen von fast 600.000 Euro.

Neuausrichtung der Apothekenaufsicht

Mit Spannung erwarteten die Delegierten das Gastreferat von Ministerialrat Dominique-André Busch aus dem Landesgesundheitsministerium zur „Weiterentwicklung der Apothekenüberwachung in NRW“. Und sie wurden nicht enttäuscht: Busch kündigte die Reform der Apothekenaufsicht in NRW an. Die Apotheken-Aufsicht haben in NRW die Kreise und kreisfreien Städte, konkret in Person von derzeit 90 Amtsapotheker*innen. Da der Bund das Arzneimittelrecht vorgibt, bleibt den Ländern nur der Vollzug. Wegen Uneinheitlichkeiten und Bürokratie soll die Überwachung nun modernisiert werden: ein zentrales Qualitätsmanagementsystem, aktualisierte Verwaltungsvorschriften und stärkere Einbindung der Apothekerkammern in Expertengruppen. Ziel sind einheitliche Standards, weniger bürokratische Belastung, praxisnahe Lösungen und ein Fokus auf das Wesentliche: Patientensicherheit. Gleichzeitig betonte Busch, dass unnötige Bürokratie abgebaut, aber notwendige Regeln weiterhin konsequent umgesetzt würden. Fest stehe für Busch: „Es kann nicht sein, dass die Apothekenüberwachung in der Eifel etwas ganz anderes entscheidet als in Ostwestfalen-Lippe.“ Busch erklärte auch, wie die neuen, einheitlichen Regeln definiert werden: „Im Rahmen eines QMS-Systems werden beide Apothekerkammern in NRW mit in die Erarbeitung der neuen Richtlinien eingebunden.“

AKWL tritt nicht aus der ABDA aus

Intensiv diskutiert wurde der Antrag des Delegierten Jörg Nolten (Gemeinschaftsliste): Er wollte erreichen, dass die AKWL über einen Vorratsbeschluss aus der ABDA zum 1. Januar 2028 austritt. Er begründet den geforderten Austritt aus der ABDA, die von allen Apothekerkammern und -verbänden der Republik getragen und finanziert wird, mit anhaltender Unzufriedenheit, fehlenden berufspolitischen Erfolgen und strukturellen Problemen in der Bundesvertretung. Nolten kritisierte personelle Umbrüche, interne Blockaden sowie unlösbare Rollenkonflikte zwischen Kammern und Verbänden. Er fordert eine Professionalisierung an der Spitze der ABDA, um die Handlungsfähigkeit zu stärken und eine effizientere Interessenvertretung des Berufsstandes zu gewährleisten.

Unisono stimmten die Delegierten den Argumenten des Antragsstellers in der Diskussion zu. Lediglich der Schlussfolgerung, nämlich dem Austritt aus der ABDA, widersprachen die Diskutanten mehrheitlich. Die Strukturen müsse man von innen heraus verändern: Dazu gehöre, sich im Dialog klar zu positionieren und Prozesse kritisch-konstruktiv zu begleiten. Jörg Nolten zog den Antrag letztlich zurück, stattdessen stimmten die Delegierten überein, dass die AKWL schnellstmöglich eine Arbeitsgruppe einrichten soll, um „Forderungen, Wünsche und Ideen zusammenzutragen, wie wir uns eine noch bessere ABDA in Zukunft vorstellen können“, so AKWL-Vizepräsident Frank Dieckerhoff.

Abschied zum Abschluss

Mit stehenden Ovationen verabschiedeten die Delegierten der Kammerversammlung Dr. Andreas Walter, für den es die letzte Kammerversammlung als Hauptgeschäftsführer war. Nach über 26 Jahren bei der AKWL geht er Ende Januar in den Ruhestand. „Es hat mich immer mit Stolz erfüllt, Hauptgeschäftsführer einer solchen Kammer sein zu dürfen“, sagte Walter in seiner Abschiedsrede. „Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen.“

STICHWORT: DIE APOTHEKERKAMMER

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist die berufliche Vertretung der 8.292 Apothekerinnen und Apotheker im Landesteil, davon stehen 5.618 aktiv im Berufsleben (zu über 80 Prozent in der öffentlichen Apotheke, aber auch in Krankenhausapotheken, Wirtschaft und Verwaltung). In Westfalen-Lippe gibt es aktuell 1.628 Apotheken, 441 davon werden als Filiale geführt. Von den 1.628 Betriebsstätten sind 894 Einzelapotheken, 293 Hauptapotheken und 441 Filialapotheken. Die westfälisch-lippischen Apotheken bieten derzeit 16.681 (Vorjahr: 16.632 wohnortnahe Arbeitsplätze.

STICHWORT: DIE KAMMERVERSAMMLUNG

Die Kammerversammlung ist das oberste Beschlussorgan der Apothekerkammer. Das Apothekerparlament wird im Fünf-Jahres-Rhythmus gewählt – zuletzt im Juni 2024. Das Apothekerparlament zählt 103 Delegierte und kommt zweimal jährlich zu Arbeitssitzungen zusammen.


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Kammerpräsidentin Gabriele von Elsenau Overwiening. Foto: Kassenbrock/AKWL

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Einstimmig verabschiedeten die Delegierten den Haushaltsplan für das Jahr 2026. Foto: Talhaui/AKWL

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Für Dr. Andreas Walter (Mitte) war es die letzte Kammerversammlung als Hauptgeschäftsführer der AKWL. Er geht Ende Januar in den Ruhestand. Unter stehenden Ovationen wurde er verabschiedet. Hier mit Dr. Stephan Barrmeyer und Anke Vöcking (beide Gemeinschaftsliste). Foto: Talhaui/AKWL

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