Apothekerkammer begrüßt Verschiebung des Starttermins

Apotheker kritisieren Eckpunkte der Gesundheitsreform/WLAT-Premiere im März 2007

(Münster, 14. September 2006) Deutliche Kritik am Eckpunktepapier und den bisher vorgelegten Arbeitsentwürfen zur Gesundheitsreform übt Hans-Günter Friese, Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe: "Die bisher vorgesehenen Maßnahmen bedrohen in ihrer Gesamtheit das bewährte System der inhabergeführten, mittelständischen Apotheke. Sie gefährden zugleich aber auch die sichere und wohnortnahe Versorgung der Kunden und Patienten mit Arzneimitteln."   Die Bundesregierung beabsichtigt u. a., die bisherigen Arzneimittelfestpreise durch Höchstpreise zu ersetzen. Außerdem sollen Apotheken Preisverhandlungen mit den Arzneimittelherstellern führen können. Dabei wird ein jährliches Sparvolumen von 500 Millionen Euro zu Gunsten der Gesetzlichen Krankenversicherung vorgegeben. Wird dies nicht erreicht, sollen die Apotheker den Differenzbetrag aus der eigenen Tasche finanzieren.

Kammerpräsident Hans-Günter Friese hält diese Regelung für absurd: Die Regierung habe in den letzten Jahren die Bedeutung der heilberuflichen Tätigkeit des Apothekers gestärkt: "Unser Honorar wurde vom Arzneimittelpreis abgekoppelt, Rabatte weitgehend abgeschafft. Jetzt sollen wir wieder auf den reinen Arzneimittelhändler reduziert werden. Diesen Systemwechsel zu Lasten der Patienten halten wir für fatal", so Friese, der zugleich klarstellt: "Wir sagen ausdrücklich Ja zu einem Dienstleistungswettbewerb im Sinne des Patienten. Arzneimittel sind aber nun einmal keine Bonbons, sondern ein besonderes Gut mit Risiken und Nebenwirkungen, das keinem Preiswettbewerb ausgesetzt werden sollte." Dieser führe letztlich nur zu Konzentrationen auf lukrative Standorte und zu einer Gefährdung der Arzneimittelsicherheit.

Die Apothekerkammer begrüßt in diesem Zusammenhang die Verschiebung des Starttermins der Gesundheitsreform um drei Monate auf den 1. April 2007: "In den vergangenen Wochen gab es viel zu viele Schnellschüsse und unausgegorene Vorschläge. Jetzt ist es an der Zeit, wieder zu einer patientenorientierten Politik zurückzukehren." Friese stellt klar, dass die Apotheker an den Kostensteigerungen im Arzneimittelbereich nicht beteiligt seien. "Dennoch sind wir ausdrücklich dazu bereit, wirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen - so zum Beispiel bei der verstärkten Auswahl preiswerter Medikamente. Oft genug würde es ausreichen, wenn der Arzt nur den Wirkstoff verschreibe und der Apotheker anschließend das passende, preisgünstige Arzneimittel empfehle.


Als "Treppenwitz" bezeichnet der Kammerpräsident die Tatsache, dass durch die Maßnahmen der Gesundheitsreform 500 Millionen Euro zu Lasten der Apotheker eingespart werden sollen, zugleich aber die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel weiter steige: "Allein durch die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von 16 auf 19 Prozent werden im nächsten Jahr die Arzneimittelausgaben um 600 Millionen Euro ansteigen." Zum Vergleich: In den Niederlanden gilt für Arzneimittel ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von nur sechs Prozent.

"Als Sieg für die Rechtsstaatlichkeit" bewertet Kammergeschäftsführer Jochen Stahl die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Saarlouis vom Dienstag dieser Woche angeordnete Schließung der DocMorris-Filiale in Saarbrücken. Zuvor hatte der saarländische Gesundheitsminister Josef Hecken dem niederländischen Versandhändler DocMorris N. V. erlaubt, eine Apotheke in Saarbrücken zu betreiben. "Mit dieser Entscheidung hatte sich der Landesminister bewusst gegen das deutsche Recht gestellt, das nur approbierten Apothekern erlaubt, eine Apotheke zu betreiben", so Geschäftsführer Jochen Stahl.

Minister Hecken hatte Ende Juni mit Hinweis auf EU-Recht die Erlaubnis an die niederländische Kapitalgesellschaft erteilt. Stahl: "Damit hat die Spitze einer Landesverwaltung den Willen des Bundesgesetzgebers für rechtswidrig erklärt und entgegengesetzte Fakten geschaffen. Wir Apothekerinnen und Apotheker sind erleichtert, dass Herr Hecken durch dieses Urteil wieder zu den Prinzipien der Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt", so der Kammergeschäftsführer. Denn: "Aus gutem Grund dürfen in Deutschland Apotheken nur von freiberuflich tätigen Pharmazeuten betrieben werden. Sie beraten ihre Kunden unabhängig in Bezug auf das gesamte Spektrum der Arzneimittel." Werden Apotheken von Kapitalgesellschaften betrieben, steige die Gefahr, dass die Auswahl der Medikamente eingeschränkt wird und sich die Kapitalgeber auf besonders lukrative Standorte beschränken. "Damit steht unser weltweit vorbildliches System der wohnortnahen, preisgünstigen und sicheren Arzneimittelversorgung auf dem Spiel. Derartige Entwicklungen wie in Norwegen und den USA sollen eigentlich Abschreckung genug sein."

Ungeachtet der schwierigen berufspolitischen Lage ist der Fortbildungswille der Apothekerinnen und Apotheker ungebrochen. Neue Akzente will die Apothekerkammer am 17. und 18. März 2007 setzen. Dann steht im Tagungs- und Messezentrum der Halle Münsterland der 1. Westfälisch-lippische Apothekertag an. "Die Bewertung von Arzneimitteln wird das zentrale Thema dieser Fortbildungstagung sein, zu der wir 500 Apothekerinnen und Apotheker aus dem gesamten Bundesgebiet erwarten", erläutert Geschäftsführer Dr. Andreas Walter. Zwei Tage lang wird in Münster über Anti-Aging und Wundermittel, über pflanzliche Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel informiert und diskutiert. In einer Abschlussveranstaltung sollen die wichtigsten Tagungsergebnisse laienverständlich präsentiert werden. "Für uns ist die gesamte Veranstaltung ein Testballon", sagt Dr. Walter, der zugleich hofft, dass der Apothekertag 2007 viele Pharmazeuten nach Münster lockt und sich in den Folgejahren als Dauereinrichtung etablieren kann.

  • Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lagen im Jahr 2005 bei 23,4 Mrd. Euro. Für 2006 werden nahezu identische Ausgaben in Höhe von 23,38 Mrd. Euro (- 0,04 Prozent) prognostiziert.
  • Für Westfalen-Lippe ergeben sich folgende Werte: 2005 lagen die GKV-Arzneimittelausgaben bei 2,46 Mrd. Euro. Für das Jahr 2006 wird ein Rückgang auf 2,43 Mrd. Euro (- 1,3 Prozent) erwartet.
  • Bei einer Mehrwertsteuerabsenkung auf 7 Prozent (auf Basis der Prognose für 2006) würden die Arzneimittelkosten der GKV von geschätzten 23,38 Mrd. Euro auf 21,56 Milliarden Euro sinken (- 1,82 Mrd. Euro), bei einer Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent aber auf 23,98 Milliarden Euro ansteigen (+ 600 Mio. Euro).
  • Die Zahl der Apotheken in Westfalen-Lippe ist leicht rückläufig: 17 Neueröffnungen bis zum Stichtag 15. September stehen 22 Schlie-ßungen gegenüber. Die Gesamtzahl der Apotheken liegt aktuell bei 2.241 (gegenüber 2.246 zum Jahresende 2005).